Stimmungstief, Winterblues oder schon Winterdepression?
In diesem Artikel beschreibt unsere Autorin Lena Dihstelhoff die wesentlichen Unterschiede zwischen Stimmungstief, Winterblues und Winterdepression. Du erhältst zudem ein paar Tipps, wie es auch Dir möglich werden kann, mental gesund durch die dunkle Jahreszeit zu kommen.
Einfluss der veränderten Lichtsituation in den dunklen Jahreszeiten auf den Menschen
Ein Stimmungstief im Winter ist keine Seltenheit und kann vielfältige Ursachen haben. Auch verspüren wir Menschen in den kalten Monaten oft weniger Energie, vor allem im Gegensatz zum Frühling und Sommer. Hieran wird deutlich: der Mensch ist Teil der Natur und unterliegt somit auch den jahreszeitlichen Zyklen.
Ein entscheidender Faktor der unser Wohlbefinden im Winter beeinflusst, ist der Mangel an natürlichem Licht. Während im Sommer die Sonne mit etwa 100.000 Lux strahlt, sinkt diese Zahl am bewölkten Winterhimmel auf etwa 3500 Lux. In Innenräumen beträgt die Lichtintensität sogar nur zwischen 150-500 Lux. Dieser Lichtmangel hat verschiedene Auswirkungen auf unseren Körper.
Vitamin D
Einerseits führt er zu einem Rückgang des Vitamin D-Spiegels. Vitamin D ist nicht nur wichtig für den Knochenbau, sondern beeinflusst auch das Immunsystem und die Synthese von Serotonin, einem Neurotransmitter, der für die Stimmungsregulation verantwortlich ist. Die Hauptquelle für Vitamin D sind UVB-Sonnenstrahlen, die im Winter oft Mangelware sind.
Melatonin
Zusätzlich beeinflusst der Lichtmangel die Produktion von Melatonin, einem Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert. In den dunklen Wintermonaten steigt die Melatoninproduktion, was zu vermehrter Müdigkeit und einem gestörten Schlaf führen kann.
Immunsystem
Diese Lichtveränderungen haben auch Auswirkungen auf unser Immunsystem. Studien konnten zum Beispiel zeigen, dass in Europa lebende Menschen dazu neigen im Winter ein reaktionsfreudigeres Immunsystem zu haben. Das ermöglicht unserem Körper schneller auf potenzielle Entzündungsherde und Erkältungen zu reagieren[1].
‚Licht‘ im Kontext Kultur
Auch kulturell hat sich der Mensch im Laufe der Jahrtausende mit dem Thema „Licht“ beschäftigt.So sind beispielsweise viele kulturelle Bräuche in der dunklen Jahreszeit als „Lichtfest“ konzipiert (Weihnachten, Laternenumzüge, Lucia-Fest, …) und finden oft in der Nähe der Wintersonnenwende statt (die Sonne erreicht auf der Nordhalbkugel ihren Tiefstand um den 21. oder 22. Dezember, was den Beginn des Winters markiert). Diese Traditionen können durchaus als Versuch interpretiert werden, das natürliche Lichtdefizit auszugleichen und die dunkle Jahreszeit mit Licht und Gemeinschaft zu erhellen.
Doch wie können wir nun erkennen, ob es sich nur um ein Stimmungstief oder einen „Winterblues“ handelt, oder ob sich hinter den Symptomen schon eine ausgewachsene Winterdepression verbirgt?
Unterschiede zwischen Stimmungstief, Winterblues und Winterdepression
Diese Begriffe beschreiben unterschiedliche Grade von emotionalen Schwankungen.
Das Stimmungstief
Ein Stimmungstief ergibt sich aus dem menschlichen Wechselspiel zwischen positiven und unangenehmen Gefühlen wie Trauer und Erschöpfung. Es handelt sich um gesunde, zeitlich vorübergehende Reaktionen auf Belastungen und Ereignisse im Leben. Diese „Schwingungsfähigkeit“, also sowohl positive als auch unangenehme Gefühle in ihrer jeweiligen Tiefe erleben zu können, zeichnet eine gesunde Psyche aus.
Der Winterblues
Der sogenannte „Winterblues“ geht oft mit einer ‚inneren Einkehr‘ einher. Manche Menschen fühlen sich müde, melancholisch. Sie neigen dazu, während dieser Phase einen Rückblick auf das vergangene Jahr zu werfen und sich ins Heimelige zurückzuziehen. Wichtig dabei ist jedoch: ihre Genussfähigkeit bleibt erhalten, sie empfinden also Freude an Dingen und können diesem Rückzug auch etwas Positives abgewinnen.
Die Winterdepression
Diagnostik der Winterdepression
Im Gegensatz dazu steht die sogenannte Winterdepression, die als klinisch relevante Diagnose im ICD 10 als „saisonal abhängige Depression“ (SAD) unter F33: rezidivierende Depressionen eingruppiert wird. Rezidivierend bedeutet, dass es sich um eine wiederkehrende Depression handelt, im Falle der SAD ist das Auftreten saisonabhängig. Typischerweise tritt sie in den dunkleren Monaten auf[2], wobei sich die Symptome oft mit dem Einsetzen des Frühlings verbessern. Die Winterdepression präsentiert sich mit klassischen Anzeichen einer depressiven Episode (siehe Haupt- und Zusatzsymptome im Schaubild), jedoch mit dem entscheidenden Unterschied, dass diese Symptome ausschließlich und wiederholt zu einer bestimmten Jahreszeit auftreten. Zudem erleben betroffene Personen oft Müdigkeit in Kombination mit einem vermehrten Schlafbedürfnis und Heißhungerattacken (im Gegensatz zur klassischen unipolaren Depression, bei der eher Schlafschwierigkeiten und ein verminderter Appetit vorherrschen).
Die Diagnostik erfolgt über ein:e Psychiater:in, Hausarzt:Hausärztin oder Psychotherapeut:in und gestaltet sich nicht immer einfach. Um eine sichere Diagnose stellen zu können, müssen die beschriebenen Symptome über mindestens zwei Wochen vorliegen und bereits zum wiederholten Mal in der jeweiligen Jahreszeit auftreten (sonst könnte es sich auch um eine unipolare Depression handeln).
Winterdepressionen sind jedoch nicht so weit verbreitet, wie man vielleicht denken würde. Laut Prof. Dr. Hegerl von der Deutschen Depressionshilfe leiden nur etwa 1-2% der Bevölkerung tatsächlich an dieser Form der saisonalen Depression[3]. Es ist wichtig zu betonen, dass die Mehrzahl der depressiven Erkrankungen im Winter keine Winterdepressionen ist.
Quelle: modifizierte Darstellung auf Basis von:
Behandlung der Winterdepression
Bei Verdacht auf eine Depression oder Winterdepression solltest du immer eine:n Ärztin/Arzt aufsuchen. Diese können dich bezüglich des weiteren Vorgehens und der Behandlung beraten. Beispielsweise kann Blut abgenommen werden, um einen eventuellen Vitamin D-Mangel zu erkennen und gegebenenfalls mit hochdosierten, verschreibungspflichtigen Medikamenten zu behandeln. Das Mittel der Wahl bei Winterdepression ist meist eine Lichttherapie. Hier wird auf Spezialgeräte gesetzt, die eine medizinisch relevante Lichtstärke von 2.500- 10.000 Lux aufbringen[4]. Psychotherapie kann ebenfalls unterstützend sein. Auch die Verschreibung von Antidepressiva kann je nach Schwere der Symptomatik, von Ärzten und Ärztinnen empfohlen werden.
Was können wir im Winter tun, um uns so gut wie möglich zu wappnen?
(Licht-)Spaziergänge
Den Einfluss von Licht auf unsere Stimmung und unser Energielevel haben wir bereits ausführlich erörtert. Und ja, die Lichtintensität im Winter ist deutlich geringer als im Sommer – aber insbesondere vormittags und mittags erreicht uns unter freiem Himmel immer noch deutlich mehr Licht als in Innenräumen (drinnen herrschen zwischen 150-500 Lux, wohingegen selbst der bewölkte Mittagshimmel noch auf 2500 Lux kommt[5]). Kurze Spaziergänge, z. B. 30min in der Mittagspause können also gut in den Alltag integriert werden, um doch ein bisschen mehr Licht abzubekommen. Bewegung fördert zudem die Durchblutung und setzt Endorphine frei, die das Wohlbefinden steigern können.
Ein guter Schlafrythmus
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bettzeit. Eine regelmäßige Schlafenszeit, idealerweise zwischen 8 und 9 Stunden, fördert einen stabilen Schlaf-Wach-Rhythmus. Abweichungen können zu Schlafstörungen, Stimmungsverschlechterung und vermehrter Müdigkeit führen. Selbst am Wochenende ist es ratsam, ungefähr zur gleichen Zeit aufzustehen, um diesen Rhythmus nicht zu stören.
Soziale Kontakte pflegen
Die kalten, nassen Wintermonate laden dazu ein, uns in unseren eigenen vier Wänden zu isolieren. Soziale Kontakte sind jedoch von entscheidender Bedeutung. Triff dich mit Freunden, plane einen Spieleabend oder besuche Veranstaltungen (wer geht schon bei strahlendem Sonnenschein und 30 Grad ins Museum? JETZT ist der Moment gekommen!). Gemeinsame, schöne Erlebnisse stärken die Bindungen und können deine Stimmung positiv beeinflussen.
Trister Winter – Zeit ganz besondere Sachen zu unternehmen
Die dunkle Jahreszeit muss nicht ausschließlich grau, kalt, ätzend, langweilig, öde, einsam, eintönig, … sein. Beim „Reframing“ geht es darum, zu schauen, neue Perspektiven auf den Winter zu finden, die für dich nützlicher sind. Was kannst du dieser Zeit Positives abgewinnen? Setze dir zum Beispiel verschiedene Highlights für den Winter.
Was steht auf deiner Herbst-/Winter-Bucketlist, was du typischerweise in dieser Zeit erleben kannst und was dir Freude bereitet? Wie kannst du die Besonderheiten dieser Jahreszeit für dich nutzen?
Manches davon, wie den Ski-Urlaub, musst du wahrscheinlich vorausschauend planen. Vorfreude ist bekanntlich die größte Freude! Bei anderen Punkten lohnt es sich hinzuschauen, ob du diese vielleicht als DEINE Wintergewohnheiten etablieren möchtest, wie beispielsweise 1x im Monat in die Sauna zu gehen.
Frage dich bei jeder identifizierten Gewohnheit
- Warum möchtest du das? Was versprichst du dir davon?
- Wie geht es dir, wenn du dieser Gewohnheit nachgehst?
- Wer oder was unterstützt dich dabei, diese Gewohnheit aufrechtzuerhalten?
Mach was aus DEINEM Winter! Das kann auch bedeuten: du akzeptierst dein verändertes Energielevel und die ruhigere Stimmung, lässt dich bewusst darauf ein und stimmst deine Aktivitäten darauf ab. Deine ganz persönliche Winterruhe. Und sei gewiss: der nächste Frühling kommt bestimmt.
Teile gern mit uns in den Kommentaren Deine Bucketlist und schreibe uns eine Nachricht, wenn du Fragen oder Unterstützungsbedarf hast.
[1] https://www.spektrum.de/news/menschen-haben-sommer-und-wintergene/1345906
[2] Eine weitere Ausprägung der SAD ist die Sommerdepression, die allerdings weitaus seltener auftritt. Menschen, die unter dieser Form der saisonalen Depression leiden, erleben oft einen größeren Leidensdruck, da es meist weniger Verständnis für ihre Symptomatik in ihrem sozialen Umfeld gibt.
[3] https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/ist-es-nur-ein-kleines-stimmungstief-oder-schon-eine-winterdepression/
[4] https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/psychische-krankheiten/lichttherapie-bei-depressionen-713071.html
[5] https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Lichttherapie-gegen-Winterdepression,lichttherapie100.html
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