Der Umgang mit dem Tod
Der Tod ist ein schwieriges Thema, doch was geschieht, wenn er unerwartet in den Arbeitsalltag einbricht? In dem Artikel „Der Umgang mit dem Tod“ erklärt unsere Gastautorin und Trauerbegleiterin Helga Schröck, wie Unternehmen mit dem Verlust eines/r Mitarbeiters/in umgehen können und warum es wichtig ist, auf solche Krisen vorbereitet zu sein. Du erfährst vor allem, welche Maßnahmen Führungskräfte ergreifen sollten, um Empathie zu zeigen und das Team in schwierigen Zeiten zu unterstützen.
Der Tod am Arbeitsplatz
Wenn das Telefon klingelt, weiß ich als Trauerbegleiterin, dass es sich meist um eine Anfrage
von einem Angehörigen handelt. Letzten Monat war die Assistentin der Geschäftsführung
eines Unternehmens am Apparat und bat um eine Beratung. Ein Mitarbeiter sei während der
Arbeitszeit an einem Herzinfarkt verstorben und nun herrsche große Aufregung. Die
Hilflosigkeit der Assistentin und die Hilflosigkeit der kompletten Belegschaft sowie des
Managements wurden in diesem Gespräch sehr deutlich.
Unser aller Leben ist geprägt von Arbeit. Oft verbringen wir mehr Zeit mit unserem
beruflichen Umfeld als mit unserem privaten. Wir pflegen Sozialkontakte und agieren in
einem geschlossenen System, das im Fall eines Trauerfalls ins Ungleichgewicht gerät. Das gilt
auch für unser Arbeitsleben.
Von Arbeitgeber-Seite kann man da viel Gutes bewirken. Viel Freiraum für emotionale
Entwicklung stärkt Mitarbeiter in Teams, zeigt Empathie des Arbeitgebers, Interesse für die
Mitarbeiter und bietet Struktur. Im Zeitalter des Fachkräftemangels ist dies eine zentrale
Ressource für Unternehmen.
Aus meiner Sicht ist es für Verantwortliche elementar, einen Notfallplan parat zu haben.
Organisationen leben in vielen Bereichen mit Prozessplänen, Schichtplänen oder
Ablaufprotokollen und bereiten sich auf alle Aspekte des Arbeitslebens oft akribisch vor.
Warum nicht auch für den Fall, dass ein Mitarbeiter stirbt?
Der Plan für den Notfall
Allein schon die Auseinandersetzung mit dem Thema „Tod einer/s Mitarbeiters/in“ ist für
Organisationen eine Herausforderung und dennoch hilfreich. Mit einem Krisenplan in der
Schublade können Verantwortliche ihren Führungskräften die Sicherheit geben, die diese
selbst und ihre Mitarbeiter:innen benötigen.
Was spricht daher gegen eine „Alarmkette“, die beim Tod einer/s Mitarbeiters/in in Kraft tritt? In
ihr wird klar festgelegt, wer an wen in welcher Art und Weise kommuniziert und auch,
welche firmeninternen Regelungen greifen und welche gesetzlichen Regelungen beachtet
werden müssen. Definierte firmeninterne Zuständigkeiten und wie diese Personen im
Krisenfall erreichbar sind, schaffen einen Rahmen, der einen achtsamen Umgang mit allen
Betroffenen ermöglicht.
Resilienz in der Führung
Führungskräfte sind gerade in Krisensituationen gefragt und benötigen neben fachlichen
Qualifikationen noch weitere Fähigkeiten. Zu erwähnen sind eine wertschätzende
Kommunikation und ein achtsamer Blick auf die Mitarbeiter:innen. Es schadet dem Unternehmen,
wenn nach dem Überbringen der Nachricht alles wieder „zurück zum Alltag“ gehen muss.
Daher gilt es für die Führungskraft abzuwägen, wann die Information gegeben wird und wie
das „Danach“ gestaltet werden kann. Manchmal ist eine externe Hilfe, die Führungskräfte in
Anspruch nehmen dürfen, empfehlenswert.
Beachtet werden muss, trotz eventuell eigener Betroffenheit, dass die Information an die
Personalabteilung und umgehend an den Sozialversicherungsträger weitergegeben werden
muss. Für Mitarbeiter:innen der Personalabteilung gilt es Stillschweigen zu bewahren, bis die
anderen Mitarbeitenden informiert sind. Eine persönliche Information, direkt und zeitnah, ist immer einer E-Mail vorzuziehen.
Nun ist empathische Zugewandtheit gefragt. Führungskräfte dürfen gerne zeigen, dass solche
Grenzsituationen auch für sonst kontrolliert wirkende Menschen, eine Herausforderung
bedeutet. Krise verbindet. Trauer bedeutet Stress und dieser macht vor der Türe des Managements nicht halt.
So verständlich auch Fragen zu geschäftlichen Belangen sind, sollten diese, angesichts der
soeben verkündeten Nachricht, an einem anderen Tag beantwortet werden.
Wertschätzender Umgang mit Trauer und Verlust zeigt sich auch im Raum, den der gestorbenen Mitarbeiter und sein Tod einnehmen dürfen.
Trauerkultur im Unternehmen
Wie kann sich das Leitbild der Organisation auch wiederfinden, wenn ein Mitarbeiter
verstirbt?
Die Art und Weise, wie Unternehmen bzw. deren Führungskräfte kondolieren, lässt vielerlei
Rückschlüsse darauf zu, wie es um die Wertschätzung der dort Beschäftigten und um die
sozialen Fähigkeiten ihrer Institution bestellt ist. Erwartet wird oft, dass das Management in
Erscheinung tritt. Doch eine allgemeingültige Regel, wer das Heft in die Hand nimmt, gibt es
nicht. Wichtig ist, dass das Kondolieren rasch geschieht. In der Regel haben die verstorbenen
Personen viel Zeit bei der Arbeit verbracht. Unter allen, die kondolieren, ist deshalb die
Reaktion der Institution eine wichtige und besondere. Ein authentisches Auftreten wirkt
würdevoller als eine aufgesetzte, floskelhafte Kommunikation.
Ein Kondolenzschreiben oder auch eine Traueranzeige ist kein Arbeitszeugnis oder ein
Lebenslauf. Es soll den Menschen würdigen und hervorheben, was diese Person Gutes für
die Organisation geleistet hat. So ist die Beschreibung einer gemeinsam erlebten Begegnung
individueller und kraftspendender für Angehörige und Betroffene als jeglicher gut gemeinter
Trauerspruch.
Zur Kultur einer Einrichtung gehört auch, ob der Besuch einer Trauerfeier in der Arbeitszeit
geregelt ist. Es sollte den Mitarbeitenden freigestellt sein, um keinen Druck auszuüben. Jede:r
reagiert anderes auf eine Todesnachricht. Jede:r sollte seinen für sich stimmigen Weg wählen
können.
Eine Grundregel für den Umgang mit Tod und Trauer.
Ein Suizid stellt einen Sonderfall dar. Hier sollte dem Wunsch der Angehörigen entsprochen
werden und die Kommunikation über die Todesumstände entsprechend erfolgen.
Um den Raum für Stille und Ruhe nach der Todesnachricht anzubieten, bewährt es sich,
diesen schon im Notfallplan auszuwählen. Mitarbeiter:innen können dort in ein Kondolenzbuch
schreiben oder einige Minuten innenhalten. Parallel sind auch Angebote zu individuellen
Sprechstunden mit der Führungskraft oder einer anderen dafür zuständigen Person denkbar.
Die Arbeit muss weitergehen
Der verlassene Arbeitsplatz und eine notwendige Umstrukturierung des Personaleinsatzes
sind gerade in sozialen oder produzierenden Unternehmen ein Problem. Ein reibungsloser
Ablauf muss weiterhin gewährleistet werden. Ein Notfallplan regelt die Grundversorgung und zeigt auf welchen Wegen mit den betroffenen Bereichen kommuniziert wird, immer entsprechend der Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Institution. So können in Unternehmen Regelungen wie die freiwillige Beteiligung an einer Trauerfeier und die damit verbundene Arbeitszeitenregelung schon im
Vorfeld geklärt werden. Auch wie lange ein Arbeitsplatz mit Blumen und Karten geschmückt
bleiben darf, kann sich in den internen Regelungen finden. Vielleicht möchten dann engste
Kollegen in einer feierlichen Zeremonie den Schreibtisch oder den Spind räumen, den Tisch
nochmals abwischen, sich nochmals auf den Stuhl setzen und sich so verabschieden. Danach
sollte der Arbeitsbereich, wenn möglich, leicht verändert werden. Persönliche Gegenstände,
das Kondolenzalbum und Karten können später an die Familie übergeben werden.
Nachsorgemaßnahmen
Trauer ist ein natürlicher Prozess – es ist keine Krankheit und nichts, was sich den Regeln der
Gesellschaft unterordnet. So ist Trauer auch nicht nach ein paar Tagen vorbei.
Verantwortliche sollten das im Hinterkopf behalten, wenn Kolleg:innen Monate später noch
nicht zu ihrer „alten Form“ zurückgefunden haben. Ein klärendes, einfühlsames Gespräch
und ein Angebot, externe Hilfe annehmen zu dürfen, bieten der Trauer den Raum und geben
den Betroffenen Sicherheit und Stabilität.
Tod, Trauer und Sterben sind Teil unseres Lebens und sollten in keinem sozialen Gefüge
tabuisiert werden. So ist ein Sommerfest mit einer Möglichkeit, in einem stillen Raum des
verstorbenen Mitarbeiters zu gedenken, lebensnaher, als eine Absage des Festes. Schieben
Sie den Tod nicht in die Tabu-Zone und geben Sie Kolleg:innen die Möglichkeit, ins Gespräch zu
kommen. Zeigen Sie, dass Mitarbeiter:innen auch noch nach ihrem Tod Teil des Unternehmens
sind und ihre Arbeit wertgeschätzt wurde.
Helga Schröck hat in diesem Artikel aufgezeigt, wie Unternehmen auf den Tod eines Mitarbeiters reagieren und gleichzeitig die Belegschaft stärken können. Mit einer klaren Krisenplanung und einem wertschätzenden Umgang mit Trauer lassen sich solche herausfordernde Situationen besser bewältigen. Ein sensibler Umgang mit dem Tod schafft nicht nur Stabilität, sondern fördert den Zusammenhalt im Unternehmen.
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